Vom „verdienten Ruhestand“ zum „Alterskraftunternehmer“ |
Bilder und Praktiken des Alter(n)s in der aktivgesellschaftlichen Transformation des deutschen Sozialstaats nach der Vereinigung Projektleitung: Silke van Dyk und Stephan Lessenich Mitarbeiterinnen: Tina Denninger und Anna Richter Förderinstitution: Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des SFB 580 Laufzeit: 1.7.2008 – 30.6.2012 Das Projekt untersucht den gesellschaftlichen (Be-)Deutungswandel des „dritten Lebensalters“ im Zeichen des demographischen und wohlfahrtsstaatlichen Wandels nach 1989/90. Die systematische Analyse politisch-medialer Diskurse soll zunächst die Frage klären, in welcher Weise „das Alter“ mit neuen Vorstellungen und Erwartungen von Aktivität und Produktivität verbunden wird. In einem zweiten Schritt wird auf der Grundlage von Interviews im Ost-West-Vergleich erforscht, ob und inwiefern die Subjekte entsprechende Altersbilder in ihren Selbstdeutungen und Alltagspraktiken aufnehmen, reflektieren und verarbeiten. Die leitende Hypothese lautet, dass auch 20 Jahre nach dem Systemumbruch im innerdeutschen Vergleich bedeutsame Unterschiede der sozialen Konstruktion des „Alters“ zu erwarten sind. Das geplante Projekt fragt im innerdeutschen Ost-West-Vergleich nach dem gesellschaftlichen (Be-)Deutungswandel des „dritten Lebensalters“ im Zeichen des demographischen Umbruchs und aktueller wohlfahrtsstaatlicher Transformationsprozesse. Die Anlage des Projekts basiert auf der Vermutung, dass der gegenwärtig sich vollziehende Umbau des Sozialstaats in „aktivierender“ Absicht auch das „dritte Lebensalter“ mit neuartigen programmatischen und institutionellen Anforderungen konfrontiert. Anhand der systematischen Analyse politisch-medialer Diskurse wird deshalb zunächst untersucht, inwieweit und in welcher Weise „das Alter“ im öffentlichen Raum mit neuen gesellschaftlichen Vorstellungen und Erwartungen von Aktivität und Produktivität verbunden wird. Darauf aufbauend wird sodann danach gefragt, ob und inwiefern die Subjekte – vornehmlich also „die Alten“ selbst – entsprechende Vorstellungen und Erwartungen in ihren Selbstdeutungen und Alltagspraktiken aufnehmen, reflektieren und verarbeiten. Die Selbstbeschreibungen der Subjekte werden dabei einerseits im Hinblick auf ihre Korrespondenz mit dem analysierten Altersdiskurs untersucht, andererseits mit den nach Aktivitätsdimensionen differenzierten, effektiven Tätigkeitsmustern der Befragten kontrastiert. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht somit die Frage nach der sozialen Akzeptanz bzw. nach dem – möglichen und tatsächlichen – gesellschaftlichen „Erfolg“ der vermuteten Neuverhandlung des dritten Lebensalters. In dieser Hinsicht vermuten wir einerseits, systematische Differenzen zwischen West- und Ostdeutschland finden zu können. Während bei der älteren Generation im Westen – wenn auch mit signifikanten geschlechtsspezifischen und sozialstrukturellen Abweichungen – von der kulturellen Prägekraft der Institutionalisierung des „Ruhestands“ im bundesdeutschen Sozialstaat auszugehen ist, vermuten wir für die älteren Menschen im Osten angesichts ihrer Erfahrungen mit Formen staatlich organisierter Altersaktivität in der DDR sowie mit der sozialpolitischen Frühverrentungspraxis westdeutschen Musters in den Jahren nach der „Wende“ durchaus ambivalente Dispositionen gegenüber aktivgesellschaftlichen Anrufungen. Andererseits wollen wir der Frage nachgehen, ob sich die soziale Akzeptanz aktivischer Altersbilder eher bei jüngeren als bei älteren Menschen herstellt – und die Erfolgsaussichten einer alterspolitischen Aktivierungsprogrammatik daher womöglich im Zeitverlauf zunehmen. In Ergänzung des Ost-West-Vergleichs planen wir demgemäß einen Kohortenvergleich, bei dem neben nicht-(mehr-)erwerbstätigen 60- bis 70-Jährigen auch 40- bis 50-jährige Angehörige der „Babyboomer“-Generation befragt werden. Die Anlage des Teilprojekts fügt sich ein in die übergreifende, die Forschungen des SFB 580 in seiner dritten Förderungsphase anleitende Frage nach dem Umgang institutioneller und individueller Akteure im Osten und Westen Deutschlands mit zwar immer noch, mittlerweile aber nur mehr mittelbar und vermittelt transformationsbedingten Herausforderungen „zweiter Ordnung“. Es schließt, gemeinsam mit den Teilprojekten C5 und (in der neuen Förderungsphase) C6, mit seinem Blick auf die Nacherwerbsphase die bisherige Forschungslücke des SFB am „oberen Ende“ des Lebenslaufs sozialer Akteure. Zudem bildet es, mit seinen Fragen nach dem Umgang der Akteure mit gestiegenen Anforderungen an individuelle Selbststeuerung im Transformationsprozess sowie nach dem Zusammenspiel der reflexiven Selbstdeutungen der Subjekte mit ihren vorbewusst-latenten Habitualisierungen, einen inhaltlichen und methodischen Forschungs-„Cluster“ mit den diesbezüglich ähnlich gelagerten Teilprojekten B9, C3 und C4. |
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Prof. Dr. Stephan Lessenich - Institut für Soziologie - LMU München | Home


